Intuitives Essen – Mein erster (Fehl-)Versuch
Eat only when hungry – Iss nur wenn du hungrig bist
Für mich war diese Aussage von Anfang an logisch. Doch was uns logisch erscheint, muss noch lange nicht dazu führen, dass wir uns danach richten. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Als ich mich 2006 zum ersten Mal mit intuitivem Essen beschäftigte und das Buch Intuitive Eating von Evelyn Tribole und Elyse Resch las, war ich erleichtert. Endlich schrieb jemand über die Erfahrungen, die ich selber gemacht hatte und lieferte einleuchtende Erklärungen, warum Diäten auf Dauer nicht funktionieren und oft den Einstieg in einen Teufelskreis bedeuten. Ich las das Buch an einem Wochenende durch. Prima, dachte ich. Jetzt habe ich es endlich verstanden. Doch wie sich bereits nach einer Woche herausstellte, hatte ich gar nichts verstanden.
Kaum begann die Arbeitswoche, war auch meine übliche Routine wieder da: mit Kaffee den ganzen Tag meinen Hunger unterdrücken, keine richtigen Pausen, keine Bewegung und am Abend dann schnell verfügbares Essen zum satt werden und abschalten.
Ok, das war der Montag.
Dienstag, nächster Versuch.
Ich nahm mir zumindest etwas Zeit und machte mir mittags schnell einen Salat und aß ihn während ich weiterarbeitete. Ich aß viel zu schnell und unaufmerksam. Mein Körper bedankte sich mit Magendrücken und ich entschied, dass mir Mittagessen nicht bekam, denn ich wurde müde.
Mittwoch, nächster Versuch.
Vielleicht hilft doch ein Frühstück. Obwohl ich nicht wirklich hungrig war, weil ich zu spät am Abend gegessen hatte, aß ich einen Obstsalat mit Joghurt und Müsli. Es schmeckte mir nicht, denn ich war ja auch nicht richtig hungrig. Merke, Frühstück war auch nicht das Richtige.
Donnerstag, nächster Versuch.
Irgendwie hatte ich jetzt den Eindruck, dass meine Hose enger saß und ich war der Meinung, dass ich die Tage zuvor nun zu viel gegessen hatte. Also am besten wieder tagsüber nichts essen. Kaffee macht auch satt. Am Abend war ich ohnehin zum Kochen verabredet. Es gab Brot und Oliven während des Kochens, Pasta mit Garnelen und zum Dessert Mousse au Chocolat und ziemlich viel Weißwein. Verdammt! So wird die Hose morgen sicher noch enger sitzen, dachte ich beim Einschlafen.
Freitag, nächster Versuch.
Ich war natürlich übernächtigt und fühlte mich aufgrund des schweren Dinners nicht gerade fit. Kaffee war meine Rettung und da eine Kollegin ihren Geburtstag feierte, ein Stück Kuchen dazu. Man will ja nicht unhöflich sein. Koffein und Zucker sind eine gefährliche Mischung. Sie pushen so richtig schön, auch wenn der Körper eigentlich nach Ruhe schreit. Ok, heute Abend gehe ich zum Sport, war mein nächster Gedanke. Aus dem Sport wurde nichts, denn eine Freundin wollte mit mir ausgehen. Während ich mich fertig machte, schlang ich schnell zwei Brote mit Käse runter, denn der Alkohol brauchte eine Grundlage, die das Stück Kuchen und drei Kaffee nicht liefern konnten.
Samstag, ich ziehe Resümee.
Etwas verkatert blicke ich auf das Buch, das noch immer neben meinem Bett liegt. Mein erster Gedanke, intuitives Essen funktioniert für mich nicht. Wie soll ich bei all dem Stress auch noch auf meinen Körper hören? Ich habe tagsüber einfach keinen Hunger. Das ist mir zu anstrengend.
Wenn ich heute auf diese Woche zurückblicke, wird mir sofort bewusst, dass ich gar nichts verstanden hatte. Ich hatte nicht einmal den Versuch gestartet, auf meinen Körper zu hören. Dabei habe ich nicht nur Hunger- und Sättigungssignale überhört, sondern auch den Wunsch nach Ruhe und Bewegung. Es war mir nicht einmal bewusst, wie ungesund dieser Lebensstil war. Mit Ende 20 steckt man so eine Woche noch locker weg.
Ich hatte nicht verstanden, dass ich bereits eine Lebensweise entwickelt hatte, die wichtige Signale meines Körpers komplett ignorierte. Meinen Hunger tagsüber mit Kaffee zu unterdrücken war nur eine Gewohnheit, die dazu beigetragen hat. Anstatt das Buch noch einmal zu lesen und zu reflektieren, entschied ich, dass intuitives Essen nicht die Lösung für mich sein kann. Es musste doch etwas Einfacheres und Schnelleres geben. Ein klassischer Denkfehler.
Stattdessen führte ich meinen bereits eingeschliffenen Lebensstil weiter. Ich hörte nicht auf meinen Körper, der nach Bewegung und Entspannung schrie, aß weiterhin zu spät am Abend und auch zu viel, hatte dadurch schlechten Schlaf und war eigentlich konsequent unter Strom. Wenn du meine Geschichte gelesen hast, wird es dich nicht wundern, dass dies Einfluss auf meine Gesundheit und auch mein Gewicht hatte.
Mit diesem Lebensstil bin ich jedoch nicht alleine. Viele Menschen in meinem Umfeld gehen mit sich nicht viel besser um. Eine Freundin leidet seit Jahren unter Rückenschmerzen aber Familie und Beruf erlauben ihr, aus ihrer Sicht, keine Zeit, um sich mit ihrer Gesundheit auseinanderzusetzen. Das Problem wird einfach verdrängt.
Die von mir beschriebene Woche kennen bestimmt viele. Obwohl wir glauben ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sind wir viel zu oft getrieben von äußeren Einflüssen. Wir essen Mittag, weil um zwölf Uhr Mittagspause ist. Wir essen Frühstück, weil irgendwer mal gesagt hat, dass es die wichtigste Mahlzeit des Tages wäre. Und weil wir uns am Abend entspannen wollen, genießen wir ein Abendessen mit unseren Freunden oder der Familie.
Es wäre ja auch ausgesprochen unsozial, wenn wir nicht mit den Kollegen zum Mittagessen gehen und wenn man nur mitgeht und nichts isst, dann kommen zum Teil seltsame Fragen. Würde jeder in der Familie zu unterschiedlichen Zeiten Essen wollen, wäre das nicht nur anstrengend, sondern auch ein Konfliktherd.
Unser Alltag wird deutlich stärker von äußeren Faktoren bestimmt, als wir wahrhaben wollen. Wir leben ein Leben voller Gewohnheiten und stellen diese nur selten in Frage, da sie uns auch oft nicht wirklich bewusst sind. Wenn du wissen möchtest wie ich ein kleines Vermögen in Kaffee „To Go“ investiert habe, empfehle ich dir den Artikel zur Macht der Gewohnheit. (Verlinkung zu Artikel)
Ich werde oft um die Freiheiten beneidet, die ich als Selbstständige vermeintlich habe. Viele Menschen wünschen sich nicht selten ein Ausbrechen aus den klassischen Strukturen unserer Gesellschaft. Themen wie Work-Life Balance, Sabbaticals oder der komplette Ausstieg sind heute populärer denn je. Gerade die junge Generation stellt viel von dem, was wir ihnen vorleben, in Frage und entwickelt gleichzeitig andere, ebenso fragwürdige Gewohnheiten.
Für mich bedeutet intuitives Essen daher auch ein Ausbrechen aus unseren Gewohnheiten und unserem derzeitigen Konsumverhalten. Das dies nicht leicht ist, hat mein gescheiterter Versuch gezeigt. Ich befinde mich selbst noch immer auf dem Weg und möchte dich einladen, mich zu begleiten. Es gibt viele verschiedene Ansätze um sich dem Thema intuitives Essen zu nähern. Mein Ansatz ist nur einer von vielen.
Er beruht auf meiner ganz eigenen Erfahrung, die ich auf diesem Wege teilen möchte. Sei neugierig und schau dich um. Überlege, was für dich Sinn macht. Probiere ob auch du mit einer schrittweisen Änderung deiner Gewohnheiten lernst, wieder mehr auf deinen Körper und deine Bedürfnisse zu hören. Such dir Verbündete und nimm an der 6 Wochen Challenge teil.
Bevor du damit startest, lies dir bitte hier (Verlinkung zu Space: Intuitives Essen) meine Zusammenfassung zum intuitiven Essen durch.